Vermittler und Flüchtlings-Retter
Lesedauer: 11 Minuten
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s ist einem Zufall zu verdanken, dass Gorden Isler heute Versicherungs- und Finanzprodukte vermittelt. „Ich hatte ein Jura-Studium angefangen, aber irgendwie war ich damit unglücklich“, sagt er. Am Rande eines Fußballplatzes sprach er mit Freunden darüber. „Ich bin in einem Dorf an der Grenze zu Polen aufgewachsen“, erzählt Isler. „Damals war ich 19, unerfahren und naiv.“
Wegen der Situation seiner Eltern erhielt er den Höchstsatz BaFög und wusste: einen Teil davon würde er zurückzahlen müssen. „Da bereitete jede Überweisung etwas mehr Unbehagen, weil ich mich immer weiter verschuldete.“ Ein Vermögensberater der DVAG hörte das Gespräch. Er sprach ihn an, ob er sich nicht das unternehmenseigene Berufsbildungswerk mal ansehen und an einer Informationsveranstaltung teilnehmen möchte.
Die Antwort lautete: Ja. Isler ging tatsächlich zur DVAG. 2006 aber kündigte er beim Frankfurter Finanzkonzern und gründete fairvendo, sein eigenes Unternehmen, das heute acht Angestellte beschäftigt. „Finanzberatung kann ein total soziales Berufsumfeld sein“, sagt der 39-Jährige und kann das auch wunderbar begründen: „Die Menschen vertrauen mir, und ich helfe ihnen, Probleme zu lösen und Versorgungslücken anzugehen. Ich kümmere mich darum, dass sie gut abgesichert sind.“
Mit dieser Haltung geht Isler durchs Leben. Nicht nur beruflich, sondern auch privat. Er kümmert sich – und geht dabei neue Wege. Mit fairvendo hat er sich einer nachhaltigen Strategie verschrieben. Privat engagiert er sich für soziale Projekte und die Rettung in Seenot geratener Menschen auf dem Mittelmeer. Er zeigt, was die Branche bewegen könnte und wie es geht, als Finanzberaterin oder -berater selbst etwas zu bewegen, berufsspezifische Fähigkeiten einzubringen.
fairvendo – ein Lotse für Nachhaltigkeit
Zum Beispiel beim Thema Nachhaltigkeit. „Wir verstehen uns als Lotsinnen und Lotsen auf der Suche nach nachhaltigen Finanzprodukten und Versicherungslösungen“, erklärt Isler. Egal ob Police oder Geldanlage: Bevor fairvendo ein Produkt vorschlägt, wird es aufwendig geprüft. „Das wollen wir so und deshalb haben wir uns zertifizieren lassen – um unseren Kundinnen und Kunden Sicherheit zu geben, dass das auch funktioniert“, erklärt Isler.
Deshalb wird etwa genau untersucht, welche Investmentfonds von Produktgebern zur Verfügung gestellt werden. „Sind da etwa Unternehmen wie Nestlé, Rheinmetall oder BlackRock drin, muss das kommuniziert werden“, sagt Isler. „Unsere Kundinnen und Kunden wollen an solchen Geschäftsmodellen nicht beteiligt sein.“
Bei der Zertifizierung handelt es sich um die aufwendige CSE-Zertifizierung, die jährlich von ECO Control überprüft wird. Dazu gehören ein kontinuierliches Verbesserungsbestreben, die Messung des CO2-Ausstoßes sowie die Kompensation der Emissionen. Zudem erstellt fairvendo seit 2021 einen Nachhaltigkeitsbericht nach dem DNK Standard (Deutscher Nachhaltigkeitskodex). Freiwillig, denn auf Grund der Unternehmensgröße ist die Firma nicht dazu verpflichtet.
Nachhaltigkeit mit Nachdruck
Wie ernst er und seine Belegschaft diese Aufgabe nehmen, zeigt das Beispiel des Ökoworld Klima C, einem Klimafonds des Anbieters Ökoworld. Dort ist Isler eine mexikanische Fastfood-Kette aufgefallen. Eine Fastfood-Kette in einem Klimafonds? Das kam dem Finanzexperten komisch vor. Also fragte er bei Ökoworld nach.
Der Vorstandsvorsitzende persönlich habe sich dann bei ihm gemeldet und erklärt, dass die Fastfood-Kette ihre Lieferketten optimiert habe, den Wasserverbrauch stetig reduziert und sich für soziale Projekte vor Ort einsetzt. „Daran konnte ich erkennen, dass sich der Fondsmanager für mehr interessiert, als nur für den betriebswirtschaftlichen Aspekt. Mir ist wichtig, dass unsere Kundinnen und Kunden informiert sind und nicht mit einem grünen Anstrich getäuscht werden“, sagt Isler.
Neben Produkten und Portfolien werden aber auch die Anbieter genau überprüft. Wer also zum Beispiel Kohlekraftwerke versichere oder in Staatsanleihen der Länder investiere, in denen gegen Menschenrechte verstoßen wird, hat es bei fairvendo extrem schwer. „Die Gothaer ist uns dagegen angenehmen aufgefallen, da sie die Transformation zum nachhaltigen Unternehmen offenbar sehr ernst nimmt und nachhaltige Produkte entwickelt. Insbesondere gefällt uns der Ansatz, für die Konzepte der E-Mobilität bessere Angebote zu machen“, erzählt Isler.
So werden Maklerinnen und Makler zu ESG-Fachberatern
Damit sein Team auch dahingehend beraten kann, haben sie sich zu sogenannten Fachberatern für nachhaltiges Versicherungswesen ausbilden lassen. „Diese Ausbildung hat ein Kollege aus Bayern gemeinsam mit dem Bundesumweltministerium entwickelt“, erklärt Isler, der 2017 zu den ersten sogenannten ESG-Beratern gehörte.
Die Zusatzausbildung dauert ein halbes Jahr und beschäftigt sich mit Grundwissen aus der Wissenschaft, aber natürlich auch mit Kapitalanlage und Schadenabwicklung. Die Weiterbildungszeit können Vermittlerinnen und Vermittler sogar einbringen, um ihre Pflicht zu erfüllen. „Und die Kundinnen und Kunden können auf Klimastrategen.de transparent einsehen und überprüfen, welche Bildungsinhalte und Schwerpunkte von der Greensurance Stiftung gesetzt worden sind“, erklärt Isler den Image-Effekt.
Dass er die Branche komplett verändern kann, bezweifelt der Finanzberater, aber kleine Schritte könnten eben auch große Wirkung erzielen. Isler: „Wir vergleichen uns gern mit einem kleinen Schnellboot, das die großen Schiffe umkreist und damit vielleicht zu einer kleinen Kurskorrektur beitragen kann.“ Außerdem habe man als Mensch schließlich eine Haltung. „Und es ist richtig zu versuchen, diese Haltung auch noch mit dem beruflichen Handeln zu verbinden.“
Eine Frage der Haltung
Tatsächlich verbindet Isler seine Haltung nicht nur mit seinem Beruf, sondern auch mit seiner Freizeit. Bereits 2011 hat er zusammen mit seinen Kolleginnen, Kollegen, Kundinnen und Kunden den Verein „Hamburger mit Herz“ gegründet. Die Erdbeben-Katastrophe auf Haiti habe den Anstoß dazu gegeben. „Wir denken immer, wir sind so weit weg und können nichts machen“, sagt er, „das wollten wir zusammen widerlegen.“
Deshalb kümmert sich der Verein nicht nur um Projekte für Geflüchtete und Kinder aus einkommensschwachen Familien in Hamburg, sondern leistet auch Aufbauhilfe vor Ort. Etwa in Äthiopien, einem Land, das Isler schon mehrfach bereist hat. „Dort haben wir einem jungen Mädchen, dem bei einem Überfall der Kiefer dreimal gebrochen wurde, eine OP ermöglicht.“ Zwar hat Isler den Vorsitz abgeben, unterstützt den Verein aber noch immer mit Spenden und Netzwerkarbeit.
Ein zweites Ereignis, das ihn geprägt habe, sei das Foto von Alan Kurdi gewesen. Das Foto ging um die Welt: Ein geflüchtetes Kind liegt ertrunken am Strand. Isler, zu der Zeit gerade Vater geworden, nahm daraufhin Kontakt zu privaten Seenotrettern im Mittelmeer auf und begab sich selbst auf Mission, wie er dazu sagt. Im November 2016 war er das erste Mal auf See. Drei Tage, 72 Stunden – im Dauereinsatz. 1.200 Menschen haben er und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter retten können.
Das erste Hochseeschiff unter deutscher Flagge auf Mission im Mittelmeer
Zurück in Deutschland schloss er sich der Initiative Sea-Eye an und wurde 2018 Vorstand, verantwortlich in vorrangig fürs Spendensammeln. Sein größter Erfolg: Trotz bürokratischer Bedenken schickte Sea-Eye Weihnachten 2018 das erste Hochseeschiff unter deutscher Flagge auf Mission. Es trug den Namen Alan Kurdi, zu dessen Familie Isler noch heute Kontakt hält.
Finanzberater und Seenotretter, auf den ersten Blick sind das zwei unterschiedliche Welten. Tatsächlich profitiert Isler bei seinem privaten Engagement enorm von seiner beruflichen Erfahrung und Ausbildung: „Ich habe überhaupt kein Problem damit, mit Menschen über Geld zu sprechen und anzubieten, auch mit großen Beträgen schwerwiegende Probleme zu lösen“, sagt er. Finanzberatung kann durchaus eine starke, soziale Seite haben. Es komme nur darauf an, was man daraus macht.
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