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„Es muss attraktiv sein, das eigene Auto stehen zu lassen“

Menschen zieht es in Städte, Autos sind da aber kaum erwünscht. Auf dem Land bleibt das Auto unverzichtbar, aber wie gelingt der Klimaschutz? Fahren wir nur noch elektrisch oder mit Wasserstoff – und autonom? Und welche Folgen hat das für die Versicherungswelt? Ein Blick in die Zukunft der Mobilität.

Lesedauer: 10 Minuten
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ie Zukunft der Mobilität beginnt in einem Naturschutzgebiet am Rand von Berlin. Hier, in der Lichterfelder Weidenlandschaft im Süden der Metropole, entsteht ein neuer Stadtteil – Neulichterfelde. Im kommenden Jahr soll Spatenstich sein, bis 2027 sollen auf den 100 Hektar rund 6.000 Menschen leben. „Neulichterfelde wird ein Quartier, in dem Menschen nachhaltig zusammenleben“, erklärt Ralph Rase.

In 2050 leben 85 Prozent der Deutschen in Ballungsräumen

Rase ist Head of Mobility and Innovation bei der Toyota Kreditbank. Das Projekt an der südlichen Grenze zu Brandenburg ist ein Aushängeschild seines Unternehmens. Denn neben autarker Energieversorgung, Landschaftsschutz und Sozialentwicklung spielt auch das Thema Mobilität eine wichtige Rolle – und das ist das Spezialgebiet von Rase und seinem Team. „Wir entwickeln uns immer mehr vom Autohersteller zum Mobilitätsdienstleister und planen Mobilitätskonzepte für Quartiere“, sagt er.

Mit dieser Entwicklung trägt Toyota einem Wandel in der Gesellschaft Rechnung. Die Menschen zieht es in die Städte. Schon heute leben 77 Prozent der Deutschen in Ballungsräumen. 2050 sollen es fast 85 Prozent sein. Die Themen Leben, Wohnen, Arbeiten und Mobilität rücken immer weiter zusammen. Auch das Thema Klimaschutz wird immer wichtiger. Gerade die junge Generation sorgt sich um den Fortbestand des Planeten. Deshalb wird das verdiente Fortbewegungsmittel Auto zunehmend aus den Städten verbannt: Stuttgart will den Autoverkehr in der City massiv reduzieren, Hamburg testet komplett autofreie Zonen. Die Mobilität befindet sich im Umbruch.

Zur Person

Ralph Rase, 40, begann 2007 als Praktikant beim Toyota-Konzern – und ist ihm bis heute treu geblieben. Er arbeitete unter anderem für die Bereiche Corporate Planning, Public Relations und Compliance. 2009 wechselte er zur Toyota Kreditbank. Seit 2019 ist er dort Head of Mobility and Innovation.

Dafür braucht es kluge Konzepte – und eine Antwort auf die Frage, wie sie denn überhaupt aussieht, die Mobilität der Zukunft. Für Ralph Rase wird diese neue Welt der Fortbewegung gekennzeichnet durch folgende Faktoren: „Nutzen statt Besitz beispielsweise“, sagt Rase und meint damit die sogenannte Sharing-Kultur: „Man nutzt Dinge nur noch dann, wenn man sie wirklich braucht.“ Carsharing etwa ist ein Trend, der jedes Jahr im Schnitt um 36 Prozent wächst.

Mit dem E-Scooter zum Bus: Mobilität soll nahtlos sein

Auch neuartige Fahrzeuge werden künftig eine größere Rolle spielen – oder spielen sie schon jetzt, wie beispielsweise E-Scooter. Das Marktforschungsinstitut Macrom hat ermittelt, dass Sharing-Anbieter wie Lime, Tire oder Bird allein in Deutschland bereits rund 160.000 Elektroroller an die Straßen gestellt haben. Mit ihnen rollen  Nutzer zum Beispiel aus dem Büro  zum Bus oder zur Bahn. „Wir müssen Menschen in Zukunft nahtlose Mobilität ermöglichen“, sagt Rase. Deshalb wird auch der Öffentliche Personennahverkehr in Zukunft eine noch zentralere Rolle spielen und das Mobilitätsangebot gerade in den Städten bestimmen

Ein Blick in die Stadt der Zukunft.
In Japan am Mount Fuji baut Toyota derzeit „Woven City“.

Und auf dem Land, wo nur zweimal am Tag ein Bus fährt und der nächste Bahnhof 50 Kilometer entfernt ist? „Je weiter raus aufs Land, desto zentraler wird die Rolle des Autos. Und das wird auch so bleiben“, sagt Rase. Dennoch wird sich auch dort etwas Wesentliches verändern: die Art des Antriebs. Vorbei ist die Zeit, in der aus Öl Benzin gewonnen und einmal um die halbe Welt geschifft wurde. Stattdessen gibt es umweltfreundlichere Alternativen wie Strom aus erneuerbaren Energiequellen oder Wasserstoff, der aus überschüssiger Wind- oder Solarenergie hergestellt wird. Allerdings sei es dabei weniger entscheidend, sich auf eine Technologie festzulegen, sondern zu prüfen, welcher Antrieb zu welchen Anforderungen passt.

Der E-Motor eigne sich etwa für kurze Strecken, für weite Wege dagegen sei die Batterie zu schwer und verbrauche selbst viel zu viel Energie. Mit Wasserstoff dagegen könnten ohne Probleme Distanzen von bis zu 1.000 Kilometern bewältigt werden – ideal für Langstrecken.

„Woven City“ ist der Prototyp einer Smart City.
Auch in Deutschland sind Projekte geplant.

Bleibt immer noch die Frage, wer die Autos in Zukunft überhaupt steuert? „Autonomes Fahren wird kommen“, sagt Rase. Die Technik sei längst soweit, derzeit seien die regulatorischen Hürden das Problem. Zum Beispiel die Frage: Wer haftet, wenn das computergesteuerte Fahrzeug einen Unfall verursacht?

Dieses Thema ist auch spannend für Versicherungen, für die die Mobilität der Zukunft einiges verändern wird. Neue Risiken durch autonomes Fahren, veränderte Bedürfnisse der Kunden durch Carsharing oder neuartige Fahrzeuge modifizieren die Welt der Mobilität. „Versicherer werden ihre Produkte anpassen müssen“, sagt Rase.

Neulichterfelde – Schaufenster für die Mobilität der Zukunft

Wie  die Mobilität der Zukunft aussieht, wird  man in Neulichterfelde beobachten können. Der neue Stadtteil soll zum Schaufenster für die Mobilität der Zukunft werden. So wird es eine S-Bahn-Station und zwei Bushaltestellen geben, zwischen ihnen sind Sharing-Stationen für E-Scooter oder Fahrräder geplant, sogenannte Mobility-Spots für den einfachen Zugang zum ÖPNV. Zwar wird es auch Carsharing geben, weil Neulichterfelde aber ein autoarmes Quartier werden soll, finden sie sich eher am Rand des Viertels. „Es muss attraktiv sein, das eigene Auto stehen zu lassen“, sagt Rase. Ein Satz, den eindeutig der Mobilitätsdienstleister ausspricht – und nicht mehr der klassische Autohersteller.

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