Megatrend Nachhaltigkeit: Eintagsfliege oder Dauerbrenner?
Lesedauer: 12 Minuten
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rst vor ein paar Wochen wurde eines der Kernprobleme aller Bemühungen um Nachhaltigkeit wieder einmal deutlich sichtbar: Nicht jeder versteht unter dem Begriff das Gleiche – auch wenn man das diesseits des Atlantiks gerne glauben möchte. Es war Ende November, als die Firma Tesla – immerhin Inbegriff der ökologischen Neuausrichtung von Mobilität schlechthin – in Los Angeles ihren neuesten Wurf präsentierte: einen vollelektronischen Pickup-Truck. Nun spricht allerdings wenig dafür, dass in ein paar Jahren Konvois des Tesla Cybertrucks am Prenzlauer Berg zu sehen sein werden. Denn der Koloss dürfte mehr als drei Tonnen wiegen, seine Karosserie besteht aus drei Millimeter starkem Edelstahl – und von den Beschleunigungswerten des Stromfressers können Porschefahrer derzeit nur träumen. „Nachhaltigkeit“ sieht für die meisten Europäer anders aus. Für all diejenigen, die auch auf dem alten Kontinent in Tesla den Heilsbringer in Sachen grüner Mobilität sehen, muss die Präsentation ein herber Rückschlag gewesen sein.
Drohender Klimawandel, steigende Weltbevölkerung und zunehmende globale Unsicherheit: Die nachhaltige Ausrichtung der Wirtschaft findet in weiten Teilen der Bevölkerung immer mehr Zustimmung. Aber was heißt denn nun „nachhaltig“? Neben dem sozialen Aspekt, der in den vergangenen Jahren die Debatte prägte, ist seit 2018 – Greta Thunberg sei Dank – der Umweltaspekt wieder deutlich in den Fokus gerückt. Immer mehr Menschen wird klar, dass ein „Weiter so“ vor dem Hintergrund des Klimawandels einfach nicht mehr funktioniert – und sie etwas tun müssen.
Kunden fragen verstärkt nachhaltige Produkte nach
Vor allem aber, dass sie etwas tun können. Denn der Verbraucher kann durchaus Einfluss auf Unternehmen nehmen, indem er sich für oder gegen ein bestimmtes Produkt entscheidet. Was zunächst banal klingt, ist in einigen Branchen bereits deutlich spürbar. Die Kunden – vor allem die jungen – fragen verstärkt nachhaltige Produkte nach und interessieren sich zudem dafür, ob und inwieweit sich ein Unternehmen insgesamt nachhaltig verhält. So wie es die deutsche Automobilindustrie inzwischen verstanden hat, dass sie sich dem Thema „Aus des Verbrennermotors“ nicht mehr entziehen kann, spüren auch Supermärkte und Lebensmittelproduzenten einen klaren Trend Richtung nachhaltiger Produkte.
Immer mehr Verbraucher erwarten regional hergestellte Waren, bei denen auf den Einsatz umwelt- und letztlich auch gesundheitsschädlicher Stoffe verzichtet wird. Besonders deutlich wird der Sinneswandel bisher in der Energiewirtschaft: Noch vor zehn Jahren waren Anbieter von Ökostrom Exoten am Markt, heute kommt eigentlich kein einziger Stromhersteller mehr ohne einen Tarif aus, der in Teilen oder ausschließlich auf Erneuerbare Energien setzt. Interessant hierbei: In Sachen Elektrizität muss „Öko“ längst nicht mehr gleichzeitig „teuer“ heißen. Wer über die gängigen Vergleichsportale nach einem neuen Anbieter sucht, merkt schnell, dass es sich nicht mehr lohnt, bei den Suchkriterien das Häkchen für Ökostrom wegzulassen.
Wie nachhaltig ist die Versicherungswirtschaft?
Ob Bio-Lebensmittel, Öko-Strom und Elektro-Auto: Es gibt also viele Lebensbereiche, in denen sich Menschen bereits für einen nachhaltigen Lebensstil entscheiden können und das auch tun. Doch wie sieht es eigentlich in der Assekuranz aus? Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt natürlich auch für die Versicherungsbranche an Bedeutung. Gut so, denn: Mit einem Kapitalanlagebestand von rund 1,6 Billionen Euro gehört die Assekuranz zu den größten institutionellen Investoren in Deutschland.
Bisher interpretierten die meisten Häuser Nachhaltigkeit aber eher als wirtschaftliche Stabilität und sichere Renditeperspektive. Auch fast neun von zehn im Rahmen der Asscompact Trend-Studie befragte Makler und Mehrfachvertreter verstehen unter Nachhaltigkeit „langfristige finanzielle Stabilität des Versicherers“ und nahezu ebenso viele die „dauerhafte Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge“. Um ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden – und auch, um die neuen Kundenwünsche zu bedienen – richten aber immer mehr Gesellschaften ihre Kapitalanlagen auch im Sinne des Klimaschutzes aus.
Jeder zweite Makler befasst sich mit Nachhaltigkeit
Die Faktoren Soziales und vor allem die Frage nach der Ökologie rückt also auch in der Assekuranz in den Vordergrund. So wird der Trend, sich mit nachhaltigen Produkten zu befassen, ebenfalls von Vermittlern deutlich wahrgenommen. Laut Asscompact Trend-Studie finden gut zwei Drittel, dass nachhaltige Angebote ein positives Image aufweisen und auf jeden Fall forciert werden sollten. Rund jeder Zweite nimmt zudem ein wachsendes Bewusstsein für solche Angebote wahr und gibt an, dass er sich schon mit Nachhaltigkeit im eigenen Maklerbüro befasst habe, gut drei Viertel dabei im ökologischen Bereich. Genauso viele Vermittler haben die Nachhaltigkeit in Beratungsgesprächen thematisiert, entweder weil entsprechende Angebote vorgehalten werden oder weil Kunden danach fragten.
Darüber hinaus gelangt die Branche verstärkt zur Überzeugung, dass die Versicherer sich im Gesamten nachhaltig entwickeln und nicht nur auf einzelne grüne Produkte für eine Öko-Nische setzen. Die ganzheitliche Ausrichtung könnte zum Beispiel ein transparenter, barrierefreier und verbraucherfreundlicher Nachhaltigkeitsbericht erfassen, der neben den ESG-Kapitalanlagen auch über die CO2-Bilanz, über Ökostrom, Mobilität, Gleichbehandlung etc. Rechenschaft ablegt und den Fortschrittsprozess einer nachhaltigen Entwicklung beschreibt.
Bisher setzt die Branche auf eine freiwillige Verbreitung von Nachhaltigkeitskonzepten. Doch künftig soll ein Brüsseler Aktionsplan Europas Versicherer auf diesen Weg zwingen. Fürs Frühjahr wird erwartet, dass die internationale Aufsichtsbehörde Eiopa darlegen wird, welche Risiken nachhaltige Investments bergen. Zudem könnte die Vertriebsrichtlinie IDD ergänzt werden, sodass Vermittler den Nachhaltigkeitswunsch ihrer Kunden abfragen müssen. Die Branche tut also gut daran, sich des Themas bereits heute und freiwillig anzunehmen.
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